Zu Beginn möchten wir dir Laura gerne vorstellen. Sie ist 22 Jahre jung und studiert katholische Theologie an der Theologischen Fakultät in Paderborn. Derzeit verbringt sie acht Monate – ihr 7. und 8. Semester – in der Dormitio Abtei im Heiligen Land im Zuge des Programmes „Theologisches Studienjahr Jerusalem“, in dem der Fokus des Studiums auf Ökumene, Interreligiösität und Archäologie gelegt wird. Neben einem intensiven Vorlesungsprogramm lernt sie während diverser Studientage und Exkursionen das gesamte Land von seiner archäologischen und landschaftlichen Seite kennen sowie die Vielfalt der religiösen Gruppierungen. Im Sommer wird sie nach Paderborn zurückkehren, wo sie voraussichtlich 2024 ihr Studium mit dem Magister Theologiae abschließen wird.
Laura, was hat dich dazu bewegt, Theologie zu studieren?
In meiner Jugend habe ich mich über einige Jahre hinweg in meiner Heimatgemeinde in der MinistrantInnenarbeit engagiert, was mit Sicherheit den Grundstein für meine Studienwahl gelegt hat. Im Zuge dessen habe ich nämlich an diversen Fahrten teilgenommen, etwa an Romwallfahrten, Jugendfahrten nach Taizé, oder auch am Weltjugendtag nach Krakau. Insbesondere während dieser Reisen, die den Raum und die Atmosphäre für einen intensiven und persönlichen Austausch geboten haben, habe ich angefangen, mich gezielter mit meiner Spiritualität und theologischen Fragen auseinanderzusetzen, vor allem im Gespräch mit unserem Diakon, der mir stets eine Art geistlicher Begleiter war, mit anderen jungen Menschen, mit denen ich dieselbe Lebensphase geteilt habe, oder auch durch das Kennenlernen verschiedener Gottesdienst- und Gebetsformen. Mit dieser Zeit ist immer mehr der Gedanke eines Studiums im theologischen Bereich gewachsen. Im Oktober 2018 habe ich mich fest für Theologie im Vollstudium entschieden, bevor ich für acht Monate ein Volontariat in der ökumenischen Communauté de Taizé begonnen habe. Dort hat sich meine Entscheidung gefestigt: Wöchentlich zwei Mal hatten wir VolontärInnen die Möglichkeit, an kleinen Vorlesungen zu biblischen Texten teilzunehmen; diese haben mir wertvolle Impulse gebracht, ebenso wie prägende Gespräche mit anderen VolontärInnen aus der ganzen Welt – teilweise auch Theologiestudierenden. Ich habe zu diesem Zeitpunkt kaum darüber nachgedacht, was ich eigentlich genau von einem Theologiestudium zu erwarten habe; die Entscheidung dafür habe ich mit Leichtigkeit und schnell getroffen und konnte in den letzten Jahren feststellen, dass es wohl eine gute Wahl war.
Was macht dir besonders viel Freude an deinem Studium?
In meinen ersten zwei Semestern waren es tatsächlich insbesondere die Sprachkurse in Koiné-Griechisch und biblischem Hebräisch, an denen ich am meisten Freude hatte. Ich lerne sehr gerne neue Sprachen und fand es faszinierend, auch neue Schriften zu lernen, lesen zu üben und biblische Texte somit nochmal mit neuen Perspektiven versehen zu können. Auch die Vorlesungen im Alten Testament haben mich sehr begeistert, insbesondere durch das Lernen über die historischen Kontexte der Entstehung alttestamentlicher Texte. Diesem Aspekt konnte ich im Zuge meines Studienjahres in Jerusalem weiter nachgehen und mithilfe archäologischer Ausgrabungen, die wir uns angeschaut haben, vertiefen. Derzeit liegt mein Interesse auf der Verbindung von Ökumene/Ostkirchenkunde und Liturgiewissenschaft. Wie man im Zuge seines Theologiestudiums mit seinem persönlichen Glauben umgeht, ist wohl immer unterschiedlich. Ich hatte bislang das Gefühl, dass Studium und mein Glaube sich gut ergänzen. Es scheint mir ein Privileg, mich in meinem Studium mit dem Glauben auseinandersetzen zu dürfen, nicht unbedingt einander stetig herausfordernd, sondern gedanklich sogar oft eher voneinander separiert.
Was bedeutet Berufung für dich persönlich?
Berufung bedeutet für mich eine immerwährende Suche, jedoch verbunden mit einem Fundament des Vertrauens, dass ich mit Charismen versehen bin, die ich in Erfahrung bringe und sinnvoll und auf gute Weise in Anspruch nehmen darf. Damit muss nicht zwingend eine göttliche Bestimmung auf einen konkreten Beruf gemeint sein, sondern eher die Weise und Intention, mit der ich mein Leben gestalte und meine Aufgaben zu erfüllen versuche.
Mit der Frage, wie das aussehen könnte, habe ich mich insbesondere während meines Gap Years als Volontärin in der Communauté de Taizé beschäftigt. Dort habe ich mit Menschen aus aller Welt auf engstem Raum zusammengelebt, Materielles sowie meinen Glauben und meine Gedanken geteilt, dieselbe Tagesstruktur mit dem grundlegenden Motto der Einfachheit gelebt. Etwas, was ich in dieser Zeit immer wieder erfahren habe, war eine tiefe Verbundenheit und geschwisterliche Liebe zu den Menschen, die mir dort begegnet sind. Die Spuren Gottes habe ich am meisten in meinem Leben in diesen zutiefst menschlich-emotionalen Begegnungen erfahren. Zu diesem Zeitpunkt, an dem ich immer mehr realisiert habe, dass gerade unsere Menschlichkeit mit all ihren Facetten ein enormes Potential für einen höchst intensiven Austausch bietet, sei es auf spiritueller und theologischer Ebene, interkonfessionell oder interkulturell, habe ich meine Berufung in einer Lebensgrundeinstellung gesehen, die sich natürlich mal mehr, mal weniger ausführen lässt: danach zu streben, den Menschen, dem ich begegne, in seiner Ganzheit zu betrachten, mit seinem Päckchen, was er trägt, mit seinen Zweifeln, in seiner absoluten Menschlichkeit; diesem Bestreben durfte ich mich annähern im Zuge eines Praktikums in der JVA Bielefeld-Senne, in dem ich GefängnisseelsorgerInnen begleiten durfte.
Was möchtest du Personen mitgeben, die den Wunsch verspüren, ihre Berufung intensiver zu leben?
Auf der Suche bleiben und in das Gute investieren. – Damit meine ich die Charismen, die Geistesgaben, die auch dazu da sind, einen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten. Diese kann man für sich entdecken und stetig fördern, und zwar auch durch ganz praktische Erfahrung, die die eigene individuelle Berufung stärken könnte. In meinem Fall habe ich dieses „Investieren“ auf mein Theologiestudium bezogen.
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