Liebe Kristina, stell Dich zu Beginn gerne vor:
Ich bin Kristina Sobiech, 36 Jahre alt und arbeite beim Caritasverband Dortmund als Ehrenamtskoordinatorin für youngcaritas. Ich habe in Bochum an der EVH Soziale Arbeit studiert und anschließend den Master Soziale Inklusion gemacht.
2014 habe ich bei der Caritas angefangen – in einem neuen Projekt zum Thema „Einsamkeit im Alter“. Schon dort hatte ich viel mit Engagementförderung zu tun, da ich für ältere Menschen in einem Dortmunder Stadtteil Aktionen entwickelt habe, die Gemeinschaft fördern – zum Beispiel Kino- oder Lesenachmittage. Nach dem Ende des Projekts habe ich 2017 den Standort für youngcaritas Dortmund aufgebaut.
youngcaritas ist eine Engagementplattform für junge Menschen zwischen 13 und 30 Jahren, die Lust haben, sich sozial zu engagieren und gemeinsam etwas zu bewegen.
Was hat Dich dazu bewegt, bei der youngcaritas zu arbeiten?
Das war so ein klassischer Glücksfall – ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort: bei der Caritas Dortmund, die sich 2017 entschlossen hat, mehr junge Menschen für caritatives Engagement zu begeistern.
Die Förderung meines ersten Projekts lief damals aus, und gleichzeitig tat sich diese neue, spannende Herausforderung auf. Außerdem hatte ich 2016 schon Kolleginnen der youngcaritas in Paderborn und Wien kennengelernt – und da hat es einfach gefunkt! Ihre Begeisterung und ihre Vision von jungem Engagement haben mich sofort angesteckt.
Ich wusste: Das möchte ich auch für Dortmund umsetzen!
Am Anfang war noch völlig offen, wie das alles aussehen würde. Ich hätte damals nie gedacht, dass sich zum Beispiel unsere Aktionen für obdachlose Menschen zu einem festen Bestandteil von youngcaritas Dortmund entwickeln würden.
Was war das Besondere und Prägende an Deinem Weg?
Mein roter Faden ist ganz klar Engagement – sowohl mein eigenes als auch das, andere dafür zu begeistern. Ich habe selbst relativ spät, mit 19 Jahren, mein erstes Ehrenamt begonnen – ehrlich gesagt, zunächst nur, weil ich es für die Bewerbung an der Hochschule brauchte. Also habe ich mich bei „Große Schwester, kleine Schwester“ engagiert und in meiner Freizeit ein achtjähriges Mädchen begleitet. Rückblickend bin ich mir sicher: Meinen ersten Job bei der Caritas hätte ich ohne mein Engagement im Senioren-Kino-Projekt nicht bekommen. Diese unbezahlten Tätigkeiten, die man in seinen Alltag integriert und bei denen man mit ganz anderen Menschen in Kontakt kommt, sind unglaublich bereichernd.
Und genau das sehe ich auch bei youngcaritas: Viele starten vielleicht mit dem Gedanken, „das sieht gut im Lebenslauf aus“ – aber sie bleiben, weil es sich einfach gut anfühlt, etwas Sinnvolles zu tun.
Sind Dir auf Deinem Weg auch Herausforderungen begegnet?
Oh ja, die gibt es eigentlich jeden Tag – mal größer, mal kleiner. Es ist viel Organisation, Koordination und Netzwerkarbeit, und manchmal verliert man dabei auch den Überblick.
Die größte Herausforderung ist aber definitiv die Refinanzierung meiner Stelle und der Projekte. Ich habe manchmal Angst, dass der Tag kommt, an dem der Caritasverband meine Stelle streichen muss, weil andere Bereiche höhere Priorität haben. Man spürt, dass die Kirchensteuermittel zurückgehen und viele Fördergelder im sozialen Bereich gekürzt werden.
Bis Ende 2024 war ich außerdem komplett alleine für youngcaritas Dortmund zuständig – das war oft sehr herausfordernd. Umso dankbarer bin ich, dass wir durch eine Förderung für drei Jahre eine zweite Stelle schaffen konnten und ich nun eine Kollegin an meiner Seite habe.
Was fasziniert Dich besonders an Deiner Arbeit?
Mich begeistert immer wieder, dass junge Menschen unglaublich gerne helfen – wenn die Rahmenbedingungen zu ihrer Lebenswelt passen.
Bei youngcaritas schaffen wir diese Bedingungen durch flexible, niedrigschwellige Aktionen, die eine unmittelbare Wirkung zeigen. Wenn zum Beispiel ein Schüler einem obdachlosen Menschen einen Kaffee schenkt, mit ihm ins Gespräch kommt und danach sagt: „Wow, das hat Spaß gemacht – die Menschen auf der Straße sind ja total nett!“, dann hat dieser Schüler gleich zwei wichtige Dinge gelernt: Sein Handeln bewirkt etwas – und seine Vorurteile stimmen vielleicht gar nicht. Solche Momente sind für mich das Schönste an meiner Arbeit. Wenn junge Menschen merken, dass Engagement etwas verändern kann – in der Welt und in ihnen selbst.
An welchen Orten und wie tankst Du neue Kraft und Zuversicht?
Einer meiner absoluten Lieblingsorte ist mein Balkon, der schön ins Grüne ragt. Dort bekomme ich regelmäßig Besuch von Eichhörnchen. Ich lege Walnüsse in eine kleine Schale und beobachte, wie sie sich die Nüsse holen und es sich gemütlich machen.
In diesen Momenten kann ich komplett abschalten und freue mich jedes Mal wie ein kleines Kind. Es ist schwer zu beschreiben, aber es macht mich glücklich, etwas zu geben – ohne etwas zurückzuerwarten. Diese kleinen Dinge, wie das Eichhörnchen, das immer wiederkommt und sein Nüsschen genießt – genau das sind für mich kleine Kraftquellen im Alltag.
Was bedeutet Berufung für Dich persönlich?
Berufung bedeutet für mich, dass ich an der richtigen Stelle angekommen bin. Ich habe den Ort gefunden (nämlich die Caritas in Dortmund), der wirklich zu mir passt – wo ich mit meinen Fähigkeiten und meiner Art etwas bewirken kann. Dieses Gefühl, genau dort zu sein, wo ich hingehöre, gibt mir ganz viel Sinn und Energie. Es ist schön zu merken: Das, was ich tue als Caritas-Mitarbeiterin, hat Bedeutung – für mich und für andere.
Was möchtest Du Personen mitgeben, die den Wunsch verspüren, ihre Berufung intensiver zu leben?
Ich würde sagen: Frag dich, was dich eigentlich davon abhält, deinen Wunsch nicht zu leben. Oft sind es gar keine äußeren Grenzen, sondern eher die eigenen Zweifel oder Gewohnheiten. Mir hilft dabei ein Satz sehr: „Wenn du nicht dort bist, wo du sein möchtest, dann beweg dich. Du bist ja schließlich kein Baum!“
Das heißt: Du darfst dich bewegen, verändern, ausprobieren. Du darfst deine Energie dorthin geben, wo du sie für sinnvoll hältst. Manchmal ist es einfach wichtig, den ersten Schritt zu wagen – und zu vertrauen, dass sich der Rest dann fügt.
Liebe Kristina, vielen Dank für das Gespräch, und alles Gute Dir!