Schwester M. Gabriele ist 1977 in die Gemeinschaft der Franziskanerinnen Salzkotten eingetreten. Nach der Krankenpflegeausbildung hat sie zwanzig Jahre als Krankenschwester gearbeitet, davon sechs Jahre in Malawi. 1998 kam der Wechsel in die pastorale Arbeit im Bereich Jugend- und Berufungspastoral, zunächst in der eigenen Gemeinschaft, ab 2003 in der Berufungspastoral in unserem Erzbistum. Seit 2018 darf sie – nach eigener Aussage – „mit Freude und Dankbarkeit“ in der Begleitung vor allem der Priester im Ruhestand wirken.
Schwester M. Gabriele, was hat dich dazu bewegt, die Aufgabe als Mitarbeiterin in der Begleitung der Ruhestandsgeistlichen zu übernehmen?
Nach 15 Jahren in der Berufungspastoral – eine spannende und sehr bereichernde Zeit für mich – wurde es Zeit für eine Veränderung. Die Ausschreibung der neu geschaffenen Stelle für die Begleitung der Priester im Ruhestand sprach mich an und ich habe mich nach Rücksprache mit Mitschwestern, Freunden und guten Bekannten beworben. Dieser Dienst passt zum Charisma unserer Gemeinschaft; schon unsere Gründerin kümmerte sich, auch gegen Widerstände, um kranke und ältere Priester. Ich bekam die Stelle – und habe es in all den Jahren nicht bereut. Meine unterschiedlichen Qualifikationen waren in all den Jahren hilfreich – ich glaube mehr als je zuvor, dass Gott uns vorbereitet für neue Herausforderungen und an unserer Seite geht. Das hat mir immer Vertrauen und Zuversicht geschenkt.
Was ist das Besondere und Schöne an dieser Aufgabe?
Ich darf Priester kennenlernen und kürzer oder auch länger begleiten mit ganz unterschiedlichen Lebens- und Glaubenswegen. Viele von ihnen sind 50, 60, ja bis zu 70 Jahren Priester und strahlen Freude, inneren Frieden und Dankbarkeit aus. Das ist wunderbar – und so oft bin ich die Beschenkte. Meinen Dienst tue ich im Auftrag des Erzbischofs, aber ich bin unendlich dankbar, dass man mir ganz viel Freiheit schenkt, diesen Dienst zu tun, zu schauen, wie ich dem einzelnen Priester Gutes tun kann, wo ich unterstützen kann, durch Besuche, Telefonate, Post zu unterschiedlichen Festen, in Trauer, bei Krankheit. Ich versuche, soweit es mir möglich ist, die einzelnen Priester – und auch Haushälterinnen – im Blick zu behalten.
Begegnen dir auch Herausforderungen in deinem Dienst für die Ruhestandsgeistlichen?
Natürlich gibt es Herausforderungen. Einmal ist es die Unterschiedlichkeit der Priester, die durch ihre Lebensgeschichte – wie wir alle – geprägt sind. Verlusterfahrungen mit dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund von Wohnortwechsel, Verlust des Status als „Pfarrer vor Ort“, der Rollenwechsel zu einer „Privatperson“. Bei einigen erlebe ich Verletzungen, auch manche unerfüllte Hoffnung für ihr Leben. Viele können all dies gut integrieren, sind versöhnt, dankbar für ihr Leben, so wie es war; einigen gelingt diese Versöhnung (noch) nicht, was ihrem Ruhestand manche Freude nimmt.
Die Gefahr der Einsamkeit ist groß, wenn keine Angehörigen da sind, sie nicht mehr im Blick der Gemeinde und ihrer Mitbrüder sind; es fehlt nicht selten die Teilhabe durch Information seitens der Verantwortlichen über Vorgänge und Veränderungen in Kirche und Pastoral – sie fühlen sich abgehängt. Nicht wenigen fehlt auch der theologische/geistliche Austausch. Da bräuchte es verstärkt „Seelsorge an Seelsorgern“. Dazu kommt, dass es einigen sehr schwerfällt, mögliche Hilfe anzunehmen.
Lesen von guter Literatur ist einigen kaum noch möglich; aufgrund von Krankheit und Alter können sie kaum ihre Wohnung verlassen, nicht mehr Auto fahren, einkaufen… Manches ist nicht „spezifisch“ für Priester, kommt aber durch ihre Lebensform meiner Meinung nach stärker zum Tragen.
An welchen Orten und wie tankst du neue Kraft für den Alltag?
Auftanken kann ich gut im Garten, aber auch bei Spaziergängen und Wanderungen, Lesen von spiritueller Literatur, aber auch gerne mal ein guter Krimi; erholen kann ich mich beim (einfachen) Kochen und Backen, vor allem, wenn ich etwas mehr Zeit habe als abends nach der Arbeit. Und wenn dann noch Gäste kommen, die das mit mir genießen, freut mich das sehr.
Kannst du zusammenfassend sagen, was Berufung für die älteren Priester bedeutet?
Darauf gibt es keine generelle Antwort. Für manchen Priester ist das Wichtigste, jeden Tag die Hl. Messe selbst zu zelebrieren; für andere ist die tägliche Hl. Messe auch wichtig, aber oft durch Mitfeiern in der Gemeinde möglich. Aber auch das können nicht alle aus unterschiedlichen Gründen. Da kann die Mitfeier am Fernseher für sie eine Alternative sein. Das Stundengebet wird für viele wichtiger und dabei auch das Gebet für andere. Die meisten Priester versuchen, mit den ihnen noch möglichen Kräften sich einzusetzen in den Gemeinden, soweit dies gewollt ist… Sie besuchen kranke und alte Menschen, bringen die Krankenkommunion… Meiner Meinung nach geht es darum, das ADSUM (Hier bin ich), das jeder von ihnen bei der Weihe gesprochen hat, in den Grenzen und Möglichkeiten des Alters zu leben, sich Gott zur Verfügung zu stellen. Für manche bedeutet das, ihr JA zu sagen in den abnehmenden Kräften und im Leid, im Gebet für andere und im Annehmen der nötigen Hilfe.
Was möchtest du – auf Grund deiner Erfahrungen in dieser Aufgabe – Personen mitgeben, die den Wunsch verspüren, ihre Berufung intensiver zu leben?
Ich möchte jeden Menschen ermutigen, sich von ganzem Herzen auf den rufenden Gott einzulassen, die Stille zu suchen, weil dann das Hören auf IHN leichter gelingen kann; wenn möglich regelmäßige Zeiten des bei Gott Verweilens einzuplanen… jmd. zu suchen, der sie/ihn bei allen Suchwegen begleitet… Und offen und wach seinen/ihren Weg zu gehen in der Gewissheit, dass Gott auch heute noch spricht und sich zeigt…
Aus eigener Erfahrung möchte ich hinzufügen: Irgendwann muss man springen und sich ganz diesem Gott, der ruft, überlassen. Er will Leben in Fülle für jede/n von uns und weiß den Weg für uns.