05.06.2025
monatliche Gebetstage um geistliche Berufungen

Im Gespräch mit Weihbischof Matthias König

Der heutige Gebetstag trägt die Intention „Für die Bischöfe in unserem Land“. Diesen Tag haben wir als Anlass genommen, um mit Weihbischof Matthias König zu sprechen.

Weihbischof König wurde 1959 in Dortmund geboren und studierte nach dem Abitur 1978 Theologie und Philosophie in Paderborn und Freiburg. Am 25. Mai 1985 empfing er das Sakrament der Priesterweihe. Nach verschiedenen beruflichen Stationen in Neheim, Bünde-Holsen und Kirchlengern wurde er 1996 Pfarrer in Paderborn-Schloß Neuhaus und übernahm 2002 dort die Leitung des neu gegründeten Pastoralverbundes.

2004 wurde er Mitglied im Priesterrat und zum Titularbischof von Elicroca und Weihbischof in Paderborn ernannt. So empfing er im Dezember 2004 die Bischofsweihe und wählte als Leitwort „Omnia in nomine Jesu Domini“ – „Alles im Namen Jesu, des Herrn“.

Als Bischofsvikar ist Weihbischof Matthias König für die Aufgaben der Weltkirche und Weltmission sowie für Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens zuständig. Darüber hinaus ist Weihbischof König Mitglied in verschiedenen Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz und hat das Amt des „Delegierten der Deutschen Bischofskonferenz für die deutschsprachigen Auslandsgemeinden“ inne.

 

Herr Weihbischof König, was hat Sie dazu bewegt, Priester zu werden?

Anders als viele junge Menschen heute komme ich aus einer Familie, wo Kirche immer präsent war, von meinen Eltern her, die immer an einer Kirchengemeinde Anschluss hatten, die im Kirchenchor waren, der aber mehr war als ein Gesangverein. Das war auch ein Familienkreis, wo ganz viel passierte. Dann sind auch Priester prägend gewesen. Wir hatten einen Pastor, den wir als Kinder verehrt haben, der relativ jung gestorben ist, einen aus Holland stammenden Vikar, der für die damalige Zeit – 60er Jahre – schon etwas unkonventioneller war. Und später einen Pfarrer, der geschaut hat, wo kann ich Leute miteinbinden, dass sie an Kirche und Gemeinde Freude bekommen. Das waren alles Elemente der Berufung.

Irgendwann habe ich mich selber der Frage stellen müssen, was will ich nach dem Abitur machen. Es war schon eine ganze Weile, dass es in mir arbeitete, Priester zu werden. Aber ich habe immer gedacht: Du mit deinen vielen Fehlern – das geht gar nicht. Dann hatten wir offene Gemeindeexerzitien. Da hatte ich den Gedanken im Gespräch mit einem der Patres ausgesprochen, der nicht gelacht hat oder so reagiert hat, dass es mich abgeschreckt hätte. Das war ein ganz hilfreicher Schlüssel, diese Tür jetzt auch offenzuhalten und weiter zu beten und zu schauen: Will Gott das? Wenn einmal eine Weiche gestellt ist, dann gibt es viel Anschub und Schwung, in diese Richtung zu suchen und letztendlich auch den Schritt zu wagen. Als ich das meinem Pfarrer kurz vor dem Abitur erzählte – er hatte es die ganze Zeit geahnt, aber er war sehr zurückhaltend – sagte er: Dann fahre ich mit dir nach Paderborn und wir melden dich dort im Leokonvikt an. Weil ich bis dahin ein einziges Mal in meinem Leben in Paderborn gewesen war, fand ich das sehr hilfreich, jemand zu haben, der sich dort auskannte und mitgegangen ist.

Im September 1978 bin ich in den Vorkurs ins Leokonvikt gekommen, mit 45 anderen jungen Männern, die zu einem größeren Teil aus dem Erzbistum stammten, aber wir hatten auch die Westberliner dabei, und Fachhochschüler aus den Bistümern Münster, Osnabrück und Aachen. Das war der größte Kurs der 70er Jahre, der dort anfing.

 

Was war das Besondere und Prägende an Ihrem Weg?

Das war zum einen, Gemeinde zu erleben, damals in Dortmund, lebendig und vielfältig, Priester zu erleben, die menschennah waren, dass sie mich in meiner eigenen Art, Priester zu sein, mehr geprägt haben, als ich das zugeben wollte. Und dann dieser große Schritt nach Paderborn, in so eine Vielfalt von Berufungsgeschichten zu kommen und ganz unterschiedlichen Leuten zu begegnen. Am ersten Tag hatten wir einen Kennenlernabend und da saßen Leute vom Typ, wie sie mir schon in der Schule nicht geheuer waren, und andere, mit denen ich bis heute befreundet bin. In den ersten Semestern haben sie erzählt, wie bei ihnen Kirche aussah. Oft habe ich Besuche dort in den Gemeinden gemacht, mit ihnen Kirchenerfahrungen geteilt und auch die Freude am Glauben. Im Konvikt selber hatten wir ausgezeichnete Priester als Begleiter. Der Direktor war kurz vor uns neu gekommen. Das war eine sehr prägende Gestalt, ein sehr geistlicher Mensch, ebenso wie der Präfekt, der Spiritual und unserer späterer Regens in seiner Bescheidenheit. Aber auch das Miteinander war prägend, sodass man sich gegenseitig erzogen hat. Im Studium gab es Fächer, die ich bis heute nicht so durchdringe, aber auch Fächer, die mich immer sehr begeistert und interessiert haben. Wir hatten einen tollen Neutestamentler, der uns die Heilige Schrift nahebrachte. Ich habe Liturgiewissenschaft als hochinteressant empfunden, ein Stück zu verstehen, warum es in unserer Liturgie so ist, wie es ist, dass man mit dem Verstand durchdringt, was man später als Priester feiern darf. Und Kirchengeschichte finde ich bis heute ein Faszinosum. Ich versuche in Chroniken immer zu erfahren, was geprägt hat, weil wir ja nie geschichtslos leben. Wir bauen immer auf Fundamente auf, die Menschen für uns gelegt haben, auch im Glauben.

 

Sind Ihnen auf Ihrem Weg Herausforderungen begegnet?

Natürlich. Zunächst einmal ist im Studium die Frage da: Hältst du das durch? Traust du dich wirklich, dich Gott in die Hände zu geben? Die Fahrten vom Elternhaus bis zur Tür des Leokonviktes waren oft von diesen Gedanken und dem inneren Ringen geprägt. Auch heute, wenn ich allein unterwegs bin, bete ich immer den Rosenkranz, weil das hilft, die Gedanken zu sortieren und sich an Gott festzumachen.

Herausforderung ist immer, von jetzt auf gleich in eine völlig fremde Umgebung zu kommen. Das waren die Praktika in Gemeinde, Krankenhaus, Schule. Doch die Erfahrung ist: Man findet sich ein, auch mit Gottes Hilfe. Bei allem, was ich bis heute tue, bete ich darum, dass ich diese Hilfe Gottes erfahre. Und es ist wunderbar, wie viel der Geist Gottes gibt und fügt, weil ich das aus mir heraus gar nicht könnte.

Das erste Jahr als Neupriester ist herausfordernd, weil die Gemeinden meinen, man ist mit dem Studium „fix und fertig“ und muss nun alles können – wo ich selber gemerkt habe, wie unsicher ich bin, manchmal auch ängstlich vor Situationen. Man muss darum beten, Mut fassen zu können und dass dieser Mut bleibt. Und auf der anderen Seite von Gott her zu erfahren, wieviel er möglich macht und so unendlich viel Kraft gibt. Er schickt mir Menschen, die mich unterstützen, die mir Mut machen – so wie die Pfarrsekretärin, eine temperamentvolle Frau, sagte: Sie machen das ja wie „ein Alter“, als wenn Sie nie etwas anderes gemacht hätten. Und ich habe gedacht: Wenn du wüsstest, wie es in meinem Inneren aussieht. Das erste Jahr im Dienst habe ich die Lebenserfahrung nachholen müssen, die ich bis dahin mit 25 Jahren noch gar nicht hatte. Und das bleibt ja so: Man lernt immer weiter. Es wird mit jedem Jahr ein bisschen leichter. Später hat man vieles in irgendeiner Form schonmal erlebt, sodass man aufpassen muss, nicht die falschen Konsequenzen zu ziehen, aber auch weiß, dass ich das schon einmal ähnlich durchgestanden habe und mich Gott darin begleitet hat.

Eine weitere Herausforderung war, wenn ein anderer als Priester aufgehört hat. Wir waren 24. Davon haben fünf ihr Priestertum im Laufe der Zeit aufgegeben. Ich habe selbst nie den Gedanken gehabt, nicht mehr Priester sein zu wollen, aber in Frage stellt mich das natürlich schon. Das waren tolle Leute, die zu den klügsten und scheinbar unerschütterlichsten zählten. Aber in solchen Phasen hilft immer das Gebet, die Treue und die Disziplin. Das habe ich erlebt, als ich nach meiner Stelle im Sauerland in die ostwestfälische Diaspora kam, mit zwei kleinen Gemeinden, weit verstreut, und auf einmal – zumindest gefühlt – wollte keiner mehr etwas von mir. Da hätte ich leicht versumpfen können. Doch da war die Erfahrung: Die Ordnung hält dich, wenn du sie hältst. So habe ich erlebt, wie wichtig die tägliche Messfeier ist und das Stundengebet. Aber auch – weil viele Praktikanten bei mir im Haus gewohnt haben – wie schön das ist, Leben zu teilen und etwas Neues zu entdecken.

 

Was ist das Schönste und was ist das Schwierigste in Ihrer Aufgabe als Weihbischof?

Das Schönste ist, wenn ich in Gemeinden komme, Menschen begegne, die sich ansprechen lassen, und bei Firmungen erlebe, dass der Geist Gottes fast greifbar ist, wenn die jungen Leute ganz aufmerksam und froh dabei sind, wo man dann staunt, was sie alles können. Oder wenn mich ein junger Mensch anspricht, der jetzt alles nachholen will, was er in 18 Jahren zuvor nicht an Glauben kannte. Oder zwei junge Männer aus einer portugiesischen Volkstanzgruppe, wo der eine als Pate erst selbst kurz zuvor zum Glauben gekommen ist und dem anderen geholfen hat, diesen Weg zu gehen. Bei der Beerdigung des Papstes habe ich diesen jungen Mann im Fernsehen bei einem kurzen Interview wiedergesehen und ihm geschrieben. Das ist immer schön, wenn sich solche Kontakte ergeben, die einem geschenkt werden.

Ich treffe viele junge Leute, die sich Gedanken machen über einen kirchlichen Beruf. Das ist in letzter Zeit wieder mehr geworden. So mancher ist diesen Weg tatsächlich gegangen – und das freut mich natürlich. Einigen durfte ich sogar die Diakonen- und einem auch die Priesterweihe spenden. Das sind so Dinge, wo ich denke: Gott, was bist du gut und wie wirkt dein Geist.

Und dann darf ich ja manches Mal in die Welt. Im Südsudan durfte ich sechs Priester und sieben Diakone weihen! In einer fünfstündigen Feier. Danach ist man derart beschenkt, dass ich davon immer noch zehre. Jetzt war ich in Schweden und habe dort eine zahlenmäßig ganz kleine, aber lebendige Kirche erlebt, die katholisch im umfassenden Sinn ist, nämlich Menschen aus der ganzen Welt zusammenführt, junge Leute, oft Konvertiten, die fasziniert sind von der Liturgie und der apostolischen Verfasstheit unserer Kirche, die sich im Glauben gefestigt empfinden und die das nächste Mal andere Menschen mitbringen. Ein Pfarrer dort berichtete, dass er in der Osternacht 32 Menschen durch Taufe oder Konversion in die Kirche aufgenommen hat. Unglaublich. Aber auch das Erzbistum Berlin hatte 130 Erwachsenentaufen. Wir erwarten es oft gar nicht mehr, dass unser Glaube anziehend sein kann, und das ist vielleicht ein Problem unserer Kirche in Deutschland.

Das Schwierigste ist, die Wirklichkeit zu sehen in den Gemeinden, wo die jungen Leute fehlen. Wenn ich irgendwo Aushilfe mache, komme ich auch in Gemeinden hinein, wo es sehr wenige Gottesdienstbesucher gibt. Da könnte man weinen. Oder wenn ich durchs Umland fahre, sehe ich überall die stattlichen Dorfkirchen und weiß, da ist fast nichts mehr. Diese Abbrüche finde ich wirklich sehr schwer zu ertragen.  Ich habe mir in einer Gemeinde, wo ich Pfarrer war, das Austrittsbuch zeigen lassen. Darin waren viele Namen, die ich als Kommunionkinder, Messdiener und als Erwachsene gekannt habe. Dieser bergrutschartige Abbruch und das Gefühl der Hilflosigkeit – wie kann man sich dagegen stemmen? Offenbar ja nicht. Auch als Pfarrer, wo man Leute hatte, die toll mitgemacht haben, und dann – wie mit dem Messer abgeschnitten – war es auf einmal vorbei. Es gab aber auch keinen Grund dafür. Es geht einfach der Glaube „flöten“.

 

An welchen Orten und wie tanken Sie neue Kraft?

Die Messfeier ist das Grundgerüst des Tages. Ich habe eine Hauskapelle, da kann ich mich zum Gebet zurückziehen, und ich habe eine Haushälterin, die bei der Messfeier die Gemeinde ist. Das Stundengebet ist wichtig. Beichte ist wichtig. Und in einer Benediktinerabtei ziehe ich mich jedes Jahr zu Exerzitien zurück. Der Dom ist ein Ort, der ganz viel Gebetskraft ausstrahlt. In der Coronazeit haben wir dort die tägliche Anbetung eingeführt. Wenn ich da eine halbe Stunde bin, ist das für mich immer eine Kraftquelle. Und auch das Erleben von lebendigen Gottesdiensten, mit Menschen, wo man die Freude spürt, die mich selber anspringt, ob in Schweden, Afrika oder hier bei uns, so ein schöner Gottesdienst wie die letzten Firmungen, wo Menschen sich anziehen lassen von dem Geheimnis Gottes und eine Ahnung davon bekommen. Und der Austausch mit Mitbrüdern oder anderen Menschen, mit Familie und guten Freunden.

 

Was bedeutet Berufung für Sie persönlich?

Grundsätzlich, dass an jeden Menschen ein Ruf Gottes ergeht, zu einem gelungenen Menschsein, zum Christsein – und darüber hinaus an manche ein Ruf zur besonderen Nachfolge Jesu, nach wie vor. Heute wird dieser Ruf schwieriger gehört, weil vieles andere die Ohren verklebt. Aber es ist gut zu erfahren, das Menschen aufgestört werden und sich dieser Frage stellen. Berufung heißt auch, dass ich schauen und darum beten muss, dass Menschen mir so ein Stück des Weges deuten wie in der Geschichte von Samuel und Eli. Deswegen versuche ich Menschen auf der Suche zu jemanden zu bringen, der Begleiter oder Begleiterin sein kann. Wir haben in unserem Erzbistum relativ viele geweihte Jungfrauen. Wenn sich eine Frau meldet, die das möchte, bin ich froh, dass ich weiß, an wen ich sie vermitteln kann.

Berufung hat immer etwas damit zu tun, mich für Gottes Ruf zu öffnen, zu antworten, mich ein Stück führen zu lassen, aber selber auch aktiv zu sein, dass dieser Ruf wachsen und sich festigen kann. Oder dass ich zu der Entscheidung komme: Das ist doch nichts für mich.

 

Was möchten Sie Personen mitgeben, die den Wunsch verspüren, ihre Berufung intensiver zu leben?

Wagt es und schaut, welche Hilfen euch angemessen sind, das zu tun. Und sucht Verbündete, die euch dabei helfen können. Dafür gibt es die Berufungspastoral, aber hoffentlich auch – im Umfeld oder weiter weg – geistliche Menschen und auch das Internet, das viel zu bieten hat, nicht nur zur Radikalisierung, sondern viel Nützliches, bis hin zu Gruppen, die Rosenkranz online miteinander beten.

 

Herzlichen Dank für das Interview!

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