Zu Beginn möchten wir Dir Schwester M. Walburga gerne vorstellen. Sie ist 1922 im Sauerland geboren und als Älteste von acht Geschwistern auf einem Bauernhof aufgewachsen. 1957 ist sie bei den Franziskanerinnen Salzkotten eingetreten und hat nach ihrer Ordensausbildung als Pförtnerin in einem Krankenhaus gearbeitet. Danach hat sie die hauswirtschaftliche Leitung der Pflegevorschule übernommen, hat im Pfarrbüro und beim Vertrieb einer Missionszeitschrift geholfen und ist seit 1980 im Ausbildungskonvent der Gemeinschaft. Immer hat sie mit vielen jungen Menschen gearbeitet und gelebt, die die 102-jährige Ordensschwester „jung gehalten haben“.
Schwester Walburga, was hat Sie dazu bewegt, Ordensschwester zu werden?
Mit 16 Jahren kam mir erstmals der Gedanke, Ordensschwester zu werden. Meine Tante war ebenfalls Schwester in einer anderen Gemeinschaft. Unser Pachthof war der heimatlichen Pfarrkirche gegenüber und ich habe es geliebt, die Frühmesse bzw. die Andachten bei einem sehr guten Priester zu besuchen. Als Kind hat mich auch die Volksmission der Redemptoristen sehr angesprochen. Mit 19 Jahren war ich während des Krieges in der Haushaltsschule bei den Franziskanerinnen in Salzkotten und habe die offene und freundliche Art der Schwestern genossen. Zu der Zeit habe ich auch den hl. Franziskus kennengelernt und mich hat die franziskanische Geschwisterlichkeit sehr berührt. Wenn die Glocken der Mutterhauskirche geläutet haben, war das für mich immer ein erhabenes Gefühl. Nach mehreren Exerzitien, die erst nach Kriegsende wieder angeboten wurden, wurde der Wunsch, in Salzkotten einzutreten, mit den Jahren immer größer.
Was war das Besondere an Ihrem Weg?
Zunächst hatte ich noch als älteste Tochter Verantwortung in dem land-wirtschaftlichen Betrieb meiner Eltern, da meine Schwestern ebenfalls in der Haushaltsschule der Franziskanerinnen und dann später verheiratet waren. Durch die dreijährige Unterstützung meiner Cousine auf dem Hof war ich dann aber frei, doch bei den Franziskanerinnen Salzkotten einzutreten. Ich war überglücklich. Noch nie sangen die Vögel so schön wie zu dieser Zeit.
Wir waren mit einigen jungen Schwestern eine sehr lebendige und frohe Partie und hatten eine sehr gute Noviziatsleitung. Nach neun Jahren an der Pforte eines Kinderkrankenhauses habe ich für zwölf Jahre im Wohn-heim der Pflegevorschule in Salzkotten die Mitverantwortung für junge Frauen übernommen. Ich habe viel von ihnen gelernt und diese Aufgabe hat mir wirklich viel Freude bereitet. Mit der Erfahrung von heute hätte ich sicher einiges anders gemacht. Ab 1980 habe ich dann die Ordensausbildung durch mein Mitleben und Mittun in der Noviziatskommunität unterstützt. Auch hier bin ich vielen jungen Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit begegnet und habe versucht, jede mit ihrer Art anzunehmen. Mir war die gegenseitige Wertschätzung immer ein tiefes Anliegen. Für mich ist es zum Staunen, dass ich in meinem Alter immer noch hier sein darf. Das nehme ich nicht als Selbstverständlichkeit und bin dafür sehr dankbar. Es wird gut für mich gesorgt. Und wenn ich etwas geben kann, dann tue ich das gerne.
Sind Ihnen auf Ihrem Weg Herausforderungen begegnet?
Nun, ich wusste, dass das Kloster auch nicht „der Himmel voller Geigen“ ist. Es kam – gerade am Anfang – einiges auf mich zu, was mir fremd war. Auch waren die anderen Frauen jünger und schon im Frühjahr und Sommer eingetreten, während ich im Herbst 1957 neu dazukam. Für meine Eltern war meine Entscheidung für den Orden auch nicht leicht, aber sie haben sich damit versöhnt.
Nach dem tödlichen Unfall einer Mitschwester wurde mir die Mitverantwortung für die jungen Frauen in der Pflegevorschule, die die Mitschwester zuvor geleitet hatte, übertragen. Die Schülerinnen standen nach dem Verlust ihrer Leitung erstmal Kopf und ich habe versucht, sie in ihrer Trauer möglichst gut aufzufangen.
Die schwerste Zeit war für mich aber das Ringen vor dem Ordenseintritt, die Unsicherheit, was sein soll, was Gott für mich und mein Leben gedacht hatte. Später in der Gemeinschaft habe ich auch Fehler gemacht, aber dadurch habe ich viel gelernt.
An welchen Orten und wie tanken Sie neue Kraft?
Ach, egal wo, man muss alles in Gottes Hand geben – gerade, wenn man Herausforderungen und Rückschläge erfährt. Mein schönstes Gebet und Lied war immer „Herr, ich bin dein Eigentum, dein ist ja mein Leben“. Diese Gottesbeziehung hat mich durch alles Schwere hindurch getragen.
Man muss bescheiden und demütig bleiben. Es ist ja alles im Leben nur ein Bemühen. Alles ist Geschenk und kein eigener Verdienst. „Alle Zeit ist Gnade.“ – Das ist aus dem „Großen Welttheater“. Und so ist es wirklich.
Was bedeutet Berufung für Sie persönlich?
Es heißt in einem alten Lied: „Dass ich die Liebe, von der ich leb, liebend an andere weitergeb.“ Ja, das meint wohl Berufung: der Liebe Gottes Antwort zu geben, auf die je eigene Art und Weise. Dabei war mir das Wort aus dem Evangelium immer sehr wichtig: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt…“ (Johannes 15,16).
Was gehört für Sie dazu, erfüllt alt zu werden? Und würden Sie sich so bezeichnen?
Ja, das denke ich schon. Ich bin versöhnt mit der Vergangenheit. Ich bin dankbar für das, was war, und auch für das, was ist. Die „göttliche Vorsehung“ oder wie würde man heute sagen, die Fügung, hat gut für mich gesorgt und ich habe meinen Weg im Orden nicht bereut, an keinem einzigen Tag.
Was möchten Sie Personen mitgeben, die den Wunsch verspüren, ihre Berufung intensiver zu leben?
Ich hätte meinen Weg nicht gefunden, wenn ich nicht Menschen auf meinem Weg gehabt hätte, die mich unterstützt und gefördert haben. Alleine hätte ich dieses geistliche Leben nicht führen können. Die Gemeinschaft mit anderen ist mir immer sehr wertvoll gewesen, bis zum heutigen Tag. Jesus führt, aber es braucht auch Menschen an unserer Seite, die gut zuhören können, bei denen man sich mal aussprechen kann. Darum: Suchen Sie sich Unterstützung! Und nur nicht mutlos werden!