02.10.2025
monatliche Gebetstage um geistliche Berufungen

Im Gespräch mit Jenifer Birke

Der heutige monatliche Gebetstag um geistliche Berufungen trägt die Intention „Für alle, die sich für Kinder und Schutzbefohlene einsetzen“. Diesen Tag haben wir zum Anlass genommen, um mit Jenifer Birke als Leitung der Kinder- und Jugendhilfe Herzenskinder e.V. zu sprechen.

Liebe Frau Birke, stellen Sie sich zu Beginn gerne einmal vor:

Ich bin Jenifer Birke, 40 Jahre alt, von Beruf Erzieherin und Traumapädagogin. Seit acht Jahren bin ich in der stationären Kinder- und Jugendhilfe tätig. Kinder und Jugendliche, die nicht mehr in ihren Herkunftsfamilien leben können, auf ihrem Weg zu begleiten, sie in ihrer Entwicklung zu stärken und zu fördern, ist für mich viel mehr als nur eine berufliche Tätigkeit. Für mich genügt es nicht, nur die alltägliche Versorgung und Betreuung sicher zu stellen. Ich möchte jedes einzelne Kind sehen, mit seinen Fähigkeiten und Ressourcen, aber auch mit seinen Wunden und seelischen Verletzungen. Das heißt für mich, über die täglichen Aufgaben hinaus, mich für die Kinder zu interessieren, ihnen zuzuhören, sie ernst zu nehmen, ihre Schwierigkeiten, Emotionen und Freuden mitzutragen. Ein Kind, welches von jetzt auf gleich an einem fremden Ort leben soll, leidet darunter, egal wie schlimm es zu Hause war. Wer mit häuslicher Gewalt oder psychisch kranken Eltern die ersten Lebensjahre aufgewachsen ist, tut sich schwer, sich auf neue Menschen einzulassen und zu vertrauen. Jedes dieser Kinder ist etwas Besonderes und Einzigartiges, was es zu schützen und zu fördern gilt. Um solch ein Kind zu erreichen, Vertrauen und Beziehung herstellen zu können, benötigt es echte Präsenz, eigene Hingabe, eine klare Haltung und viel Liebe.

 

Was hat Sie dazu bewegt? Was war das Besondere und Prägende an Ihrem Weg? Was fasziniert Sie an Ihrer Aufgabe?

Der Weg zu dieser Berufung begann während meiner Zeit auf dem Hof der Hoffnung – Fazenda da Esperanca – einer christlichen Gemeinschaft, die sich für suchtkranke Frauen und Männer einsetzt. Dort habe ich über zehn Jahre mitgelebt, davon fünf Jahre in Brasilien, und habe auf den Höfen dort die Frauen, unter anderem mit ihren Kindern, unterstützt und begleitet. Ein Besuch in einem Kinderhaus hat mich dann ganz besonders berührt. Der Gedanke, dass diese Kinder kein Zuhause mehr hatten oder weit weg von ihren Eltern leben mussten, ließ mich nicht mehr los. Was ich in jedem dieser einzelnen Kinder fand, waren diese reinen Herzen, die Leichtigkeit und Freude, die sie trotz der vergangenen Erlebnisse, für das Leben hatten. In mir verblieb der Gedanke, dass diese Kinder auf ihrem Lebensweg doch geschützt werden müssten, dass ihnen eine „bessere“ Welt vermittelt werden sollte als die, die sie bisher kennengelernt haben. Und ich war berührt von den Menschen, die diese Kinder zu sich holten und ihnen die Geborgenheit, Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe schenkten, die sie nicht von ihren Familien erhalten haben. Diese Erfahrung und tiefe Erkenntnis für mich selbst nahm ich mit, als ich mit 28 Jahren zurück nach Deutschland ging. Vordergründig war damals der Wunsch, mein Abitur nachzuholen und Psychologie zu studieren. Die Wege führten mich dann aber letztendlich nach einigen Hürden und Herausforderungen nach Hagen, wo ich gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen die Kinder- und Jugendhilfe Herzenskinder gegründet habe. Da verstand ich nochmal in der Tiefe, was ich damals in Brasilien schon spürte. Es gilt, den Kindern nicht nur ein Zuhause zu geben, sondern auch all das, was sie für ein gesundes, gestärktes Aufwachsen benötigen. Es gilt, sie zu schützen und ihnen eine „bessere“ Welt zu vermitteln als die, die sie bisher im Umfeld der Familie mit Sucht, Gewalt und Armut kennengelernt haben.

 

Sind Ihnen auf Ihrem Weg auch Herausforderungen begegnet?

Nach meiner Erzieherausbildung habe ich noch eine Weiterbildung zur Traumapädagogin gemacht, um die Kinder und deren Lebenswelten tiefer verstehen und sie besser begleiten und unterstützen zu können. Dies stellt sich mir im Umgang mit den teils schwer traumatisierten Kindern als die größte Herausforderung dar – sie in ihrer Verletzlichkeit in der Tiefe zu erreichen und eine Beziehung aufzubauen. Es gelingt nicht immer, da sich nicht jedes Kind für die Unterstützung des Erwachsenen öffnen und darauf einlassen kann. Eine gute Nähe-Distanz-Balance zu halten und zu verstehen, dass jedes Kind seine eigene Zeit und auch Bestimmung hat, ist dabei unabdingbar. Daneben gibt es noch das System – die Herkunftsfamilien, die Eltern sowie die Behörden, welche bestimmte Vorgaben und Richtlinien vorgeben. Auch hier gibt es Tag für Tag viele Herausforderungen, diese Bereiche in guten Einklang zu bringen und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zu bewegen.

 

An welchen Orten und wie tanken Sie neue Kraft und Zuversicht?

Für mich ist etwas Besonderes, wenn ein Kind seinen Weg findet und diesen verfolgt. Mich bewegt es immer wieder, wie offen diese Kinder für Neues und Größeres sind, was alles in ihnen steckt und was sie aus sich herausholen können. Ich durfte einen Jungen über sieben Jahre lang begleiten, heute macht er eine Ausbildung als Sozialassistent und strahlt so viel Positivität und Freude am Leben aus. Das gibt mir Kraft und Zuversicht.

In dieser anspruchsvollen und intensiven Auseinandersetzung mit den Themen der Kinder, aber auch deren Umfeld und Familien ist eine stetige Selbstreflexion notwendig. Fragen wie: Was bewirkt mein Tun und Handeln? Was braucht der andere? Was brauche ich? Die müssen aus meiner Sicht regelmäßig gestellt werden. Mir ist dabei auch das persönliche Gebet und der Lobpreis wichtig, das Gefühl mit Gott in einer Verbindung zu sein und in mich reinhören zu können. Solche Momente empfinde ich als sehr wertvoll und lichtreich.

 

Was bedeutet Berufung für Sie persönlich?

Berufung bedeutet für mich, für etwas bestimmt zu sein und es mit ganzer Kraft und Hingabe zu füllen und zu leben. Ich bin als Atheistin aufgewachsen. Das Leben mit Gott habe ich erst auf der Fazenda kennengelernt. Den Glauben zu Gott besiegelt habe ich mit meiner Taufe mit 21 Jahren. Ich hatte schon in meiner Kindheit ein Gespür für Menschen in schwierigen Lagen oder Nöten und setzte mich für sie in der Schule oder in meiner Freizeit ein.

Berufung bedeutet aber auch, sich für einen bestimmten Weg zu entscheiden. Damals auf der Fazenda habe ich nach drei Jahren mein erstes Versprechen abgelegt. Ich dachte ich würde irgendwann das ewige Gelübde ablegen und für immer in der Fazenda-Gemeinschaft leben. Im Laufe der Zeit haben sich jedoch viele Dinge ereignet und mein Weg hat sich verändert. Die Idee, in einem eigenen Haus mit Kindern und Jugendlichen ganz zu leben, hat mich nicht losgelassen. Als ich dann selbst Mutter wurde, hat sich mein Blick nochmal verändert. Es hat mich noch ein Stück mehr sensibler für die Themen der Kinder und deren Familien gemacht und darin bestärkt, mit allen Grenzen und Herausforderungen, die es mit sich bringt, diese Kinder auf ihrem Weg weiter zu begleiten, in welcher Form auch immer, mein Herz ist offen dafür.

 

Was möchten Sie Personen mitgeben, die den Wunsch verspüren, ihre Berufung intensiver zu leben?

„Nicht aufgeben und diesem Wunsch nachgehen.“

Auf der Fazenda da Esperanca hat mich ein Wort von Chiara Lubich durch die Zeit getragen. Es heißt: „Trotzdem lieben“. Egal, wie schwer die Herausforderungen scheinen, egal, wie ungerecht die Menschen handeln, egal, wie viele Steine dir in den Weg gelegt werden, für mich galt immer – Liebe trotzdem! Und Gott wird es steuern, er wird es richten, er wird es verwandeln.

 

Nähere Infos unter: https://kjh-herzenskinder.de/

und https://kjh-herzenskinder.de/herzpunkt/ zum gegründeten Verein.

 

Liebe Frau Birke, herzlichen Dank für das Interview!

 

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