02.02.2024
Ordensleute

Im Gespräch mit Sr. Anna Maria Blum OCD

Den heutigen "Tag des gottgeweihten Lebens“ haben wir als Anlass genommen, um mit Sr. Anna Maria Blum OCD zu sprechen.

Zu Beginn möchten wir Sr. Anna Maria Blum vorstellen. Sie ist Karmelitin und derzeitige Priorin im Karmel Witten. Das Kloster, in dem Sr. Anna Maria lebt, ist 1952 in Witten errichtet worden, nachdem ihre Mitschwestern im Jahr 1941 im Zuge des Zweiten Weltkrieges das Kloster in Breslau verlassen mussten. Das ist eine Gründung vom Kölner Karmel.  Von ihren 65 Jahren ist Sr. Anna Maria 43 Jahre im Kloster auf der Klippe. Sr. Anna Maria ist als Katharina Blum in Kasachstan geboren und ist die Jüngste von acht Geschwistern. Ihre Eltern waren Wolga-Deutsche und teilten mit vielen Wolga-Deutschen ein schweres Schicksal. Sie ist streng katholisch erzogen worden. Familie Blum hatte eine Hauskapelle. Bei ihnen versammelten sich Gläubige heimlich zum gemeinsamen Gebet oder wenn gelegentlich in der Nacht ein Priester kam, um die Heilige Messe zu feiern und Sakramente zu spenden. Heute kann Sr. Anna Maria sagen, dass sie ihre Berufung auch dem Gebet eines Priesters verdanke: P. Aleksej Saritzkij, der Anfang der 1960-er Jahre ihre Familie besuchte. Eines Tages kam er zum letzten Mal zu ihnen, da er wusste, dass ihn die KGB- Leute suchten. Er hatte sich bereits verabschiedet und wollte hinausgehen, als er plötzlich umkehrte, die kleine Katja auf den Arm nahm, sie segnete und versprach für sie zu beten (das erzählten ihre Geschwister). P. Aleksej ging weg, kam erneut ins Gefängnis und starb dort mit 51 Jahren. Im Jahr 2001 wurde er durch Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. In den 1970-er Jahren nahm die Familie Blum an Gottesdiensten teil, die ein Redemptoristen-Pater aus der Ukraine in der Stadt Alma-Ata zelebrierte. Die Eltern haben ihr verboten, den Freunden davon zu erzählen, denn das konnte gefährlich werden. In den Augen der Kommunisten war es eine Schande ein Deutscher zu sein. Ein Christ zu sein – ein Verbrechen.

Was hat Sie dazu bewegt, in den Orden der Karmelitinnen einzutreten?
Mit 18 Jahren las ich das Buch „Geschichte einer Seele“ von Therese von Lisieux. Dieses Buch wurde damals schon in die russische Sprache übersetzt. Meine älteste Schwester hatte es mehrfach mit der Schreibmaschine abgeschrieben und im Untergrund verbreitet. Nach dieser Lektüre entbrannte in mir ein tiefer Wunsch, ins Kloster zu gehen und Karmelitin zu werden.

Was war das Besondere an Ihrem Weg?
In meiner Jugend habe ich die Beziehung zu Gott verloren. Die gemeinsamen Morgen- und Abendgebete in der Familie waren mir lästig. Obwohl ich Freude, Liebe und Vergnügen in einer Clique suchte, in der mein Freund war, fühlte ich mich immer unruhiger und trauriger. Die Sehnsucht meines Herzens wurde nicht gestillt, obwohl ich liebte und geliebt wurde.
Zur gleichen Zeit begegnete ich einer Ordensfrau aus Litauen, die in Kasachstan als Missionarin tätig war. Bei einem Gespräch sagte sie zu mir: „GOTT liebt dich! ER liebt dich, so wie du bist! ER wartet auf dich!“ Das schlug ein… Zunächst konnte ich das nicht glauben, doch dann verspürte ich die Liebe Gottes, die mich erfüllte. Jetzt war ich sicher: GOTT ist da, ER liebt mich mit meiner Angst und Verzweiflung, mit meinen Fragen und meinem Suchen nach dem tiefsten Sinn des Lebens, mit meiner Sehnsucht nach Umkehr und Liebe! Von nun an war mir klar: Auf diese Liebe möchte ich Antwort geben! Unsere Eltern wollten uns ein besseres Leben bieten, um als Deutsche unter Deutschen unseren Glauben frei leben zu können. So kamen wir 1979 nach Deutschland. Wir wurden in Paderborn wohlwollend aufgenommen und fanden viele Freunde und Helfer. Ich musste mich neu orientieren. Zwar wollte ich immer noch ins Kloster gehen, doch das vertagte ich auf später. Zunächst wollte ich das Leben in der Freiheit auskosten und genießen. Tatsächlich erlebte ich viel Freude und hatte viele Freunde. Aber die Stimme Gottes rief immer lauter. Ich wurde unruhig und sehnte mich danach, meinen Platz im Leben zu finden.
Ich erfuhr, dass es in der Erzdiözese Paderborn einen Karmel gibt und suchte das Kloster auf. Als ich den Karmel in Witten betrat, überkam mich ein tiefes Glücksgefühl. Ich wusste: Das ist das, was ich suche! Das ist der Ort, der für mich bestimmt ist. Ich wollte eintreten und bat um Aufnahme. Am 1. Mai 1980 war es so weit. Für die Eltern und Geschwister war es schwer, meine Entscheidung anzunehmen, aber sie freuten sich mit mir, dass ich meinen Weg gefunden hatte. Meine Familie hat mich zum Kloster begleitet. Bevor sich die Klosterpforte öffnete, sangen wir gemeinsam den Hymnus: “Großer Gott, wir loben dich…“ Ich habe mich verabschiedet und mit dem Segen der Eltern die Schwelle der Klausur überschritten.  Ich spürte die Nähe Gottes und ich war sicher: In seiner Liebe bin ich geborgen, das ist der Ort, an dem ich meinen Lebensweg mit Gott gehen kann. Im Kloster fand ich Heimat, Verständnis und Unterstützung meiner Mitschwestern.

Das Kloster der Karmelitinnen in Witten

Sind Ihnen auf Ihrem Weg Herausforderungen begegnet?
Wir sind eine Glaubensgemeinschaft, die in Abgeschiedenheit lebt. Mittelpunkte des Tages sind die Hl. Messe, zwei Stunden Inneres Beten, Chorgebet und Geistliche Lesung. Wir stehen betend und fürbittend vor Gott, um so den Menschen in ihren Nöten helfend nahe zu sein. Gekennzeichnet ist der Tagesablauf durch einen ausgewogenen Wechsel von Gebet und Arbeit, die zum Lebensunterhalt beiträgt. Unsere Arbeitsbereiche sind: Hostienbäckerei, Kerzenwerkstatt und Imkerei.  Als kontemplative Gemeinschaft übernehmen wir keine pastoralen oder caritativen Aufgaben nach außen, wir sehen unsere Hauptaufgabe im absichtslosen Dasein vor Gott, das zugleich zum Mittragen der Nöte und Anliegen der Mitmenschen wird. Das zeichnet uns als Orden aus. Zugleich ist unsere Lebensform auch geprägt von eremitischen Elementen (d.h. zurückgezogener Lebensstil, ausgiebige Zeiten des Schweigens und Alleinseins als Raum für die Entfaltung des intensiven Gebetslebens), die sich mit einem geschwisterlichen Gemeinschaftsleben vereinen. Täglich treffen wir uns am Abend zu einem ungezwungenen Beisammensein im Gespräch (Rekreation).

An welchen Orten und wie tanken Sie neue Kraft?

Die Menschen suchen Ruhe und Stille in unserer Klosterkirche, die täglich von 7 bis 18 Uhr geöffnet ist. Andere suchen Rat, Aussprache in einer persönlichen Begegnung und Begleitung, wieder andere bitten ums Gebet; auch per Email. Die Rubrik für Anliegen auf unserer Webseite wird sehr genutzt.

Klosterkirche der Karmelitinnen in Witten

Wenn ich selbst Entspannung brauche, gehe ich in unseren schönen Garten und sehe die Spuren Gottes in der Natur, das lässt mich staunen und erfüllt mein Herz mit Freude und Dankbarkeit. Wenn ich eine Auszeit nehme, dann gehe ich in die Einsiedelei (wir haben zwei im Garten) und genieße die einsame Zweisamkeit… Das gibt mir Ruhe, Kraft und Gelassenheit für den Alltag.

Was bedeutet Berufung für Sie persönlich?
Berufung ist ein kostbares Geschenk.
Berufung heißt für mich, dem Ruf Gottes täglich zu folgen und in Freundschaft mit Gott und meinen Mitmenschen zu leben.

 

 

Was möchten Sie Personen mitgeben, die den Wunsch verspüren, ihre Berufung intensiver zu leben?
Gehen Sie in die Stille, öffnen Sie Ihr Herz durch Gebet und Meditation und hören Sie gut hin, Gott wird Sie berühren und führen…
Ich wünsche Ihnen ein waches und hörendes Herz!
Wichtig ist auch, in Gespräch und Austausch durch Begleitung den Lebensweg zu suchen, um den Platz zu finden, der für Sie von Gott bestimmt ist.
Wie wichtig das Suchen ist, möchte ich mit einer ergreifenden Begebenheit wiedergeben, die Martin Buber erzählt:

Das Versteckspiel

Rabbi Baruchs Enkel, der Knabe Jehiel, spielte einst mit einem anderen Knaben Verstecken. Er verbarg sich gut und wartete, dass ihn sein Gefährte suche.
Als er lange gewartet hatte, kam er aus dem Versteck; aber der andere war nirgends zu sehen. Nun merkte Jehiel, dass jener ihn von Anfang an nicht gesucht hatte.
Darüber musste er weinen, kam weinend in die Stube seines Großvaters gelaufen und beklagte sich über den bösen Spielgenossen. Da flossen Rabbi Baruch die Augen über, und er sagte: So spricht Gott: “Ich verberge mich, aber keiner will mich suchen“.

Oder wie unsere Gründerin Teresa von Avila es formuliert: „Gott ist so groß, dass es wohl wert ist, ihn ein Leben lang zu suchen“.

Karmelitinnenkloster
Auf der Klippe 20
58453 Witten
Tel: 02302-98 24 00
www.karmel-witten.de
Email: karmel-witten@t-online.de

 

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