Zu Beginn möchten wir dir Brigitte Kulüke gerne vorstellen. Die Emsländerin hat sich seit 1984 für ein Leben im Säkularinstitut St. Bonifatius entschieden. Seitdem lebt sie, mit einigen Unterbrechungen, seit fast vier Jahrzehnten im Lipperland bei Detmold, im Zentrum der missionsbenediktinischen Gemeinschaft. Beruflich hatte sie immer schon eine große Leidenschaft und viel Freude an der Arbeit mit Menschen: vor ihrem Eintritt als Erzieherin und Leiterin eines Kindergartens, als Mitglied der Gemeinschaft in der Arbeit mit Familien und Jugendlichen. Eine theologische und spirituelle Grundausbildung kam ihr in den fünf Jahren als Referentin in der Diözesanstelle für Berufe der Kirche im Bistum Osnabrück zugute und ein zusätzliches Studium der Sozialpädagogik für die pastoral-pädagogische Arbeit in der Jugendbildungsstätte Kupferberg, deren Leitung ihr 1998 anvertraut wurde.
Als sie im Juli 2011 zur Institutsleiterin gewählt wurde, übernahm sie die Verantwortung für die internationale Gemeinschaft, die im Zentrum in Detmold in kleineren Gruppen oder als Einzelne an 11 verschiedenen Sendungsorten in Deutschland, England und Spanien lebt und wirkt. Weitere sechs Gruppen gehören in Guatemala und vier in Rwanda und im Ostkongo dazu. In diesen Ländern setzen sie sich auf vielfältige Weise für arme und benachteiligte Menschen ein. Im vergangenen Juli durfte sie diese Verantwortung nach insgesamt 12 Jahren Amtszeit an eine Nachfolgerin übergeben. Brigitte Kulüke freut sich nun auf eine neue Wegetappe, wo sie ihre Ausbildung als Exerzitien-Begleiterin einbringen kann.
Was hat Sie dazu bewegt, ein Mitglied des Säkularinstitutes zu werden?
Letztlich war es eine tiefe Sehnsucht nach Gott und einem sinnerfüllten Leben! Die Gestalt Jesu Christi hatte mich immer schon fasziniert. Ich war beeindruckt von seiner Person. Seine Einstellung und seine Nähe zu den Menschen, vor allem den Ärmsten, weckte in mir die Vorstellung, dass das Evangelium nicht allein geschriebenes Wort, sondern mehr noch gelebtes Leben ist.
Was war das Besondere an Ihrem Weg ins Säkularinstitut?
Ich würde sagen ein ‚Aha!-Erlebnis‘; die Erkenntnis, dass es tatsächlich eine Lebensform in der Katholischen Kirche gibt, die ich intuitiv suchte, von der ich aber lange Zeit nicht wusste, dass sie wirklich existiert. Ich kannte Priester und Ordensleute, die die Nachfolge Jesu für mich authentisch und überzeugend lebten. Dennoch war mir klar, dass mein Weg der Nachfolge Jesu nicht in ein Kloster führte. Ich wollte mein Leben ganz für Gott und die Menschen unter den gewöhnlichen Bedingungen meines Alltags leben. Als ich zum ersten Mal zwei Mitgliedern unseres Säkularinstituts begegnete und von ihnen mehr darüber erfuhr, war das für mich ein ‚Glückstreffer‘ oder besser ‚eine Fügung des Himmels‘! Als Frau und Laie in der Kirche, ohne äußere erkennbare Zeichen, durch Gelübde an Gott und die Gemeinschaft gebunden – mitten in der Welt, diese Lebensform hat mich total angesprochen!
Sind Ihnen auf Ihrem Weg ins Säkularinstitut Herausforderungen begegnet?
Höhen und Tiefen gehören zu jedem Weg. Dennoch kann ich sagen, dass ich nie an der Richtigkeit meiner Entscheidung gezweifelt habe. Vielmehr habe ich eine zweite Bestätigung gefunden, indem ich nach einigen Jahren noch einmal eine ‚Berufung in der Berufung‘ erfahren habe. Es gab auf meinem Weg Momente, Ereignisse und Situationen, die mich herausforderten, meine Entscheidung, vor allem vor der endgültigen Bindung auf Lebenszeit, zu überdenken. Diese Herausforderungen haben mich in dem bestätigt, wozu ich bereits in meiner ersten Entscheidung Ja gesagt hatte: Christus nachzufolgen in dieser konkreten Gemeinschaft mit allen Aufgaben, die mir im Laufe der Jahre anvertraut wurden.
An welchen Orten tanken Sie neue Kraft?
Gebet, Meditation und Stille sind mir wichtig. Ich finde sie in einer Kirche, Kapelle oder auch in der Gebetsecke in meinen eigenen ‚vier Wänden‘. In der Natur kann ich über Gottes Schöpfung staunen und auch das stille Verweilen und einfach nur Dasein lassen mich immer wieder Kraft schöpfen. Tiefe Gespräche und Begegnung mit Menschen, mit denen ich um Fragen des Glaubens ringe und als Suchende gemeinsam nach Spuren Gottes in unserem Leben mit all seinen schönen und erschütternden Ereignissen unserer Zeit, Kirche und Welt suche, gehören auch dazu. Ein ausgewogener Rhythmus zwischen Spannung und Entspannung hilft mir, neben der Arbeit die Zeiten für Exerzitien, Urlaub, Schlaf, Spaziergänge, Musizieren, Singen, einen tiefsinnigen oder lustigen Film, ein gutes Buch und auch mal einen spannenden Krimi zu genießen!
Was bedeutet Berufung für Sie persönlich?
Als Kind war ich zutiefst angerührt, als ich einmal in einem Missionsheft Bilder von leidenden Kindern in Afrika sah. Mein Entschluss stand augenblicklich fest: Ich wollte Missionarin in Afrika werden, um den Menschen dort zu helfen. Als Jugendliche war ich engagiert in der CAJ (Christliche Arbeiterjugend). Hier lernte ich, nach dem Vorbild des Gründers Joseph Cardijn, jedem Menschen Wertschätzung und Ehrfurcht entgegen zu bringen. So wuchs in mir der Traum, als Entwicklungshelferin nach Lateinamerika zu gehen, um mich dort für die Rechte der unterdrückten Völker einzusetzen.
Als junge Erwachsene spürte ich immer mehr die Sehnsucht, den tieferen Sinn meines Lebens zu entdecken. Ich suchte die Stille in Exerzitien und das Gespräch mit guten Wegbegleitern. Mit großem Respekt und in aller Freiheit haben sie mir geholfen, nicht nach Träumen und Phantasien Ausschau zu halten, sondern auf die innere Stimme, auf mein Herz zu hören, wohin es mich in meinem Leben wirklich zog. Ich erkannte, dass Gott mich lange schon gesucht und gerufen hatte. Es ging nicht um irgendetwas, was ich tun sollte, es ging IHM um mich als Person. Mein Ja auf diesen Anruf Gottes war eine freie und vertrauensvolle Entscheidung, die mich bis heute trägt. Und dabei haben sich meine ‚Träume‘ vom Einsatz für die Menschen in Afrika und Guatemala auf eine ganz andere Weise erfüllt, denn als Institutsleiterin habe ich diese Länder jedes Jahr besucht und als ‚Brückenbauerin‘ ihre Situation in Deutschland bekannt gemacht und Unterstützung und Hilfe vermittelt.
Gottes Ruf hören und mit Vertrauen darauf antworten, das ist für mich Berufung!
Was möchten Sie Personen mitgeben, die den Wunsch verspüren, ihre Berufung intensiver zu leben?
Die ersten Worte der Regel des hl. Benedikt von Nursia, die mir sehr wichtig sind, möchte ich in freier Übersetzung ermutigend weitergeben: „Höre, lausche, neige das Ohr deines Herzens, suche Gott, suche den Frieden und folge ihm nach!“ Gottes Wege sind vielfältig. Wenn er ruft, schenkt er Mut und Vertrauen, diesen je persönlichen Weg zu gehen.
Und ein zweites Wort des frz. Schriftstellers Georges Bernanos (+ Juli 1948), das mir in meinem Leben vielfach zur Erfahrung geworden ist: „Seine Freude in der Freude des anderen finden, das ist das Geheimnis des Glücks“. – Und wer will das nicht? Glücklich sein in seinem Leben?
Weitere Informationen zum Säkularinstitut St. Bonifatius findest du hier