05.09.2024
Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz

Im Gespräch mit Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz

Der heutige monatliche Gebetstag um geistliche Berufungen trägt die Intention „Priester und Bischöfe“. Diesen Tag haben wir als Anlass genommen, um mit Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz zu sprechen.

Zu Beginn möchten wir dir Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz vorstellen. Er wurde 1967 in Rülzheim in Rheinland-Pfalz geboren, absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zum Bankkaufmann und studierte dann Theologie und Philosophie. Am 1. Juli 1995 empfing er die Priesterweihe. 2015 wurde er zum Titularbischof von Sita und zum Weihbischof in Mainz ernannt. 2017 ernannte der Mainzer Bischof Dr. Peter Kohlgraf Bentz zum Generalvikar des Bischofs von Mainz und Ökonom des Bistums Mainz. Innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz engagiert sich Bentz in der Jugendkommission, der Kommission Weltkirche und der Unterkommission für Lateinamerika. Zudem leitet er die Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Kommission Weltkirche. Im Dezember 2023 ernannte Papst Franziskus Dr. Udo Markus Bentz zum Erzbischof von Paderborn.

 

Erzbischof Bentz, was hat Sie dazu bewegt, Priester zu werden?

Ja, wie fing für mich eigentlich alles an? Tatsächlich ist mein geistlicher Berufsweg ziemlich spät in Gang gekommen. Ich habe dann ja nach dem Abitur erst einmal eine Banklehre gemacht und bin erst dann nach Mainz zum Theologiestudium gegangen. Mir war lange nicht klar, in welche Richtung es gehen soll. Ich habe als Jugendlicher aber immer schon gedacht, dass ich einen Beruf machen möchte, bei dem ich so ganz drin bin und der nicht nur ein Job ist. Zu meiner Berufungsgeschichte gehört in jedem Fall aber die Erfahrung, dass wir uns als Jugendliche in einer kleinen Gruppe regelmäßig zu einem Bibelgespräch getroffen hatten. Wir teilten miteinander, was wir während der Woche erlebt hatten, und wir fragten uns: Können wir das Erlebte mit dem Sonntagsevangelium anders und besser verstehen? Für mich war es faszinierend, das biblische Wort und mein Leben so konkret miteinander zu verknüpfen. Das prägt mich bis heute. Und das ist für mich so etwas wie eine Ursprungserfahrung.

Was war besonders prägend an Ihrem Weg zum Priester?

Für mich war und ist dieses Wort des heiligen Ignatius von Loyola prägend: „Handle so, als ob alles von dir und nichts von Gott abhängt. Zugleich aber vertraue so, als ob nichts von dir, sondern alles von Gott abhängt.“ Denn das ist meine Glaubenserfahrung auch auf dem Weg zum Priestertum: Das Vertrauen in Gott ersetzt keinesfalls die eigene Anstrengung. Nur wenn ich die Initiative ergreife und ein Wort des Evangeliums konkret auch umsetze und lebe, werde ich erleben, dass dieses Wort trägt und wirkt. Und umgekehrt. Ja, ich erkenne im Rückblick viel Fügung, natürlich. Aber ich weiß auch: Mein Lebensweg ist nicht nur Fügung, sondern auch Folge meines Handelns – und: Folge des Handelns von Menschen, die mich geprägt und begleitet haben. Und ich kann dankbar sagen: „Gott wirkt (immer irgendwie) mit!“ (Mk 16,20) Das ist eigentlich meine prägende geistliche Erfahrung. Daraus lebe ich auch heute.

Sind Ihnen auf Ihrem Weg Herausforderungen begegnet?

Natürlich. Das war nie so glatt und geradlinig. Auch ich bin ja ein Kind meiner Zeit und den gleichen Herausforderungen und Anfragen ausgesetzt wie jede und jeder meiner Generation. Ursprünglich habe ich Theologie studiert, um einmal Pastor in einer ganz normalen Pfarrei zu sein, ganz nah bei den Leuten. Nun ist es anders gekommen, aber auch da konnte ich ganz gut mitgehen. Natürlich sind die Herausforderungen als Generalvikar ganz andere als für einen Seelsorger in der Gemeinde. Aber für mich war und ist immer die Ursprungserfahrung leitend, von der ich gerade gesprochen habe.

Aber darüber hinaus: Ich finde, die große und größte Herausforderung, vor der wir alle stehen, ist heute: Gott im eigenen Leben zu entdecken und darüber miteinander ins Gespräch zu kommen. Das wird immer schwerer. Glaube ist ein echtes Tabuthema in der Gesellschaft – und über seinen persönlichen Glauben zu reden, auch bei vielen Engagierten in der Kirche. Und: Gott spielt im Leben vieler, auch mir persönlich nahestehender Menschen gar keine Rolle mehr. Wahrscheinlich machen viele diese Erfahrung: in ihrer Familie oder mit Freunden: Man teilt so vieles im Leben, aber eben nicht mehr den Glauben. Es fehlt die Erfahrung, dass Gott in unserem Alltag seine Finger im Spiel haben könnte. Und für die, die diese Erfahrung machen, ist es oft ganz ungewohnt, auch darüber zu sprechen. Da gibt es eine große Sprachlosigkeit. Das ist für mich persönlich und für uns als Kirche eine Herausforderung: Ein Leben mit Gott ist nur eine Option, nur eine Möglichkeit unter vielen anderen, auf das Leben zu schauen, wie der Soziologe Hans Joas sagt. Aber: Weil ein Leben ohne Gott eine Option ist, ist es eben auch eine Option, mit Gott zu leben! Und wer diese Erfahrung macht, für den wird Gott die unverzichtbare Option des Lebens. Ich bin überzeugt, das wird in den kommenden Jahren unsere eigentliche Aufgabe sein: inmitten dieser Gesellschaft Gott wachzuhalten.

An welchen Orten und wie tanken Sie neue Kraft?

Das ist ganz unterschiedlich. Das können Orte der Stille und der Kontemplation sein. Für mich ist das Gebet am Morgen in der Kapelle des Bischofshauses ganz besonders wichtig, da ich dort die Zeit habe, innezuhalten und den Tag zu beginnen. Jetzt im Urlaub habe ich auch viel Kraft in der Natur getankt, unterwegs in den Bergen, im Gebet in kleinen Kapellen oder an den Seen im Gebirge. Aber für mich ist es auch so, dass ich Energie und Kraft gewinne, wenn ich mitten unter den Leuten bin und mit ihnen in echten Kontakt und Dialog komme. Ich erlebe das gerade auch mit jungen Leuten. Neulich hatte ich eine Audioaufnahme mit zwei jungen Redakteuren zum Thema „Gott erkennen“. Das war so ein fröhliches und intensives Gespräch, voller Dynamik, dass ich daraus Kraft ziehen konnte, obwohl der Tag vorher schon sehr anstrengend war. Ja, das war so eine Situation. Das ist nicht unbedingt von Orten abhängig, sondern auch von den Menschen und Begegnungen. Vielleicht noch viel mehr.

Was gibt Ihnen in der aktuellen Zeit Hoffnung für die Zukunft der Kirche?

Ich glaube, dass es da viel Hoffnung gibt. Wir brauchen uns nicht zu verstecken. An vielen Stellen füllt das Engagement der Kirchen Lücken, gerade auch im diakonischen Bereich, die die Gesellschaft nicht wahrnimmt und vielleicht auch gar nicht füllen kann. Das war immer so in den 2000 Jahren unserer Geschichte, wenn man auf die vielen besonderen Charismen zum Beispiel der Ordensgemeinschaften schaut, im Engagement für die Benachteiligten und Schwachen bis heute. Ich glaube auch, dass es weiter die Sehnsucht der Menschen geben wird nach etwas, wie Anselm von Canterbury sagt, „über dem Größeres nicht gedacht werden kann“. Nach dem „Mehr als alles“. Das ist unausrottbar, auch im Zeitalter der Digitalisierung und Technisierung, glaube ich. Und wer sollte das sonst thematisieren, wenn nicht wir?        

Was bedeutet Berufung für Sie persönlich?

Ich habe das schon zu verschiedenen Gelegenheiten gesagt: Von Gott in den Dienst genommen zu sein, das heißt heute mehr denn je: den Gott Jesu Christi, sakramental, mit Leib und Seele – im wahrsten Sinne des Wortes – mit der ganzen Person zu bezeugen. Die Menschen werden schnell spüren, ob wir nur von dieser Glut der Liebe Jesu erzählen oder ob wir auch selbst davon glühen! Gerade weil heute Erfahrungen mit Gott so selten geworden sind, braucht es Menschen, die etwas erfahren haben, die beständig „am heiligen Feuer leben“ und im vertrauten Gespräch mit Jesus sind. Theodor Haecker, einer der geistigen Mentoren des Widerstandskreises „Weiße Rose“, zum katholischen Glauben konvertiert, wird das Wort zugeschrieben: „Sie leben nicht am heiligen Feuer, sie erzählen nur, dass es eines gäbe…“. Darum geht es doch, dass wir authentisch sind und aus dem leben, worüber wir erzählen, predigen…

Was möchten Sie Personen mitgeben, die den Wunsch verspüren, ihre Berufung intensiver zu leben?

Ich selber will mein Leben nicht mit Abbau und Trübsalblasen verbringen. Also, dafür bin ich auch auch nicht nach Paderborn gekommen. Ich will doch etwas gestalten! Und ich glaube wirklich, dass wir das als Christinnen und Christen auch können. Ich begegne vielen, die das ähnlich empfinden. Und warum sollte das nicht auch bei vielen anderen Menschen der Fall sein? Das würde ich auch jedem und jeder sagen: Es lohnt sich, den Weg mit Gott und den Menschen zu gehen, der eigenen Berufung intensiv nachzuspüren und ihr treu zu bleiben. Trotz der vielen Widerstände, die ganz unweigerlich kommen werden. Wir brauchen (junge) Menschen, die das für sich erkennen und diesen Sprung in den Glauben, für sich und Andere, wagen. Nur wenn ich die Initiative ergreife und das Evangelium konkret umsetze und meine Berufung lebe, werde ich erleben, dass dieses Wort Gottes an mich trägt und wirkt. Ich muss den Sprung ins Wasser, in diese Wirklichkeit, auch in die Wirklichkeit meiner Berufung, wagen, um zu erleben, dass das Wasser mich trägt! So ist es mit dem Glauben: Ich muss es wagen, zu glauben. Ich muss es wagen, dem Ruf zu vertrauen. Ich muss es einfach wagen,  zu beten. Ich muss es wagen, zu meditieren. Das wird mich innerlich stärken und verwandeln. In bestimmten Lebenssituationen kann das ganz schön schwer sein. Aber, ich bleibe dabei: Ich werde die Kraft der Berufung nur dann erfahren, wenn ich diesen Sprung mit Leib und Seele wage.

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